Ein mutmaßlicher Zufall hat die gesamte Menschheitsgeschichte verändert.
Wie in den meisten Bereichen unseres Lebens finden auch in der Medizin die bahnbrechenden Entwicklungen durch glückliche Zufälle statt.
So die Pockenschutzimpfung: Ende des 18. Jahrhunderts fiel dem britischen Arzt Edward Jenner auf, dass Melkerinnen zwar häufig an Kuhpocken erkrankten, jedoch nicht an den viel gefährlicheren Menschenpocken. Er vermutete einen Zusammenhang. Im Jahr 1796 infizierte Jenner einen achtjährigen Jungen mit dem Erreger der Kuhpocken, indem er seine Haut ritzte und die Wunde mit dem Sekret einer erkrankten Melkerin bestrich. Tatsächlich erkrankte der Junge an der harmlosen Infektion. Als er genesen war, folgte der riskantere Teil des Experiments: Jenner infizierte den Jungen auf die gleiche Weise mit Menschenpocken – ein heute undenkbarer Menschenversuch. Doch das Kind blieb verschont, sein Körper hatte offensichtlich eine Abwehr gegen das Virus aufgebaut. Die Pockenschutzimpfung war erfunden.
Die wahrscheinlich bahnbrechendste Entdeckung in der Medizin ist die des Antibiotikums. 1928 untersuchte der schottische Bakteriologe Alexander Fleming Staphylokokken. Das sind Krankheitserreger, die zum Beispiel Lungenentzündungen hervorrufen. Eine von mehreren Proben war mit Pilzsporen verunreinigt. Als Fleming sie schon wegwerfen wollte, fiel ihm auf, dass überall dort, wo sich der Pilz ausgebreitet hatte, keine Bakterien zu finden waren. Er züchtete den Pilz in Kultur und fand heraus, dass er ein Gift produzierte, das eine Vielzahl von Krankheitserregern tötete: Streptokokken, Meningokokken und das Diphtheriebakterium. Fleming nannte die Substanz Penicillin, nach dem Pilz Penicillium notatum, von dem sie stammte.
Häufig nehmen medizinische, pharmazeutische und psychologische Forschungen eine ganz andere Wendung als die in der Ausgangsthese erwartete. Das mag wenig zielgerichtet erscheinen und den Eindruck erwecken, als wäre der Erfolg dem jeweiligen Forscher quasi in den Schoß gefallen.