In unserer Welt sind wir ununterbrochen von Farben umgeben – zumindest solange es nicht stockdunkel um uns ist. Heutzutage sogar noch mehr als von der Natur vorgesehen, denn Häuser, Straßen, Schilder, Kleidung und Autos – einfach alles um uns herum ist in Farben getaucht.
Die Farbpsychologie ist ein Zweig der Gestaltpsychologie und macht als eigenständiger Forschungsbereich klar, dass die Wahrnehmung von Farben großen Einfluss auf uns hat. Und das findet sich auch in unserer Sprache wieder.
Wenn wir unser blaues Wunder erleben oder einfach mal blaumachen, dann hat das immer etwas Unbestimmtes, Überraschendes. Die Fahrt ins Blaue treibt uns dem Horizont entgegen, vor dem sich der blaue Himmel ausbreitet.
Wenn alles im grünen Bereich ist, jemand noch grün hinter den Ohren ist oder den grünen Daumen hat, spricht man von Frische, Jugend und Natürlichkeit. Der Jahreszeitenwechsel mit seiner (Wieder-)Begrünung der Natur im Frühjahr als Sinnbild der Lebenskraft hinterlässt seit jeher sprachliche Spuren.
Wir sehen rot, lassen uns vom roten Faden leiten und empfinden etwas als ein rotes Tuch. Mit der Farbe Rot wird Alarm geschlagen. Sie hebt sich von allen anderen Naturtönen ab und ist weithin sichtbar. Das zeigt sich auch in der Sprache. Ruhe und Ausgeglichenheit wird man im sprachlichen Zusammenhang mit der Farbe Rot nicht finden.
Die weiße Weste steht – wohlgemerkt mit einem Schuss Ironie – für Schuldlosigkeit. Wir hissen die weiße Fahne in friedvoller Absicht und lassen schwarz auf weiß keinen Zweifel an den Fakten. Weiß bedeutet Reinheit, Klarheit, Aufgeräumtheit.
Ein rabenschwarzer Tag, den schwarzen Peter zugeschoben bekommen oder sich schwarzärgern lässt hingegen nicht viel Gutes an der Farbe, die genau genommen gar keine ist. Als Schattierung oder Kontrast steht die Unfarbe Schwarz für Trauer, Not und Hoffnungslosigkeit. In der schwarzen Nacht fühlten sich Menschen zu allen Zeiten angreifbar und sehnten sich nach dem Morgenlicht.
Das menschliche Auge kann übrigens unzählig viele Farben erkennen, die sprachliche Vielfalt ist hingegen begrenzt und außerdem kulturell sehr unterschiedlich. Während englischsprachige Menschen durchschnittlich mit elf Farbbegriffen klarkommen, kennt die indigene bolivianische Sprache Tsimané nur Schwarz, Weiß und Rot. Mit zunehmender Modernisierung und Industrialisierung der Welt nutzen wir immer mehr Begriffe für Farbtöne. Beige, Taupe, Weinrot oder Ecru spielten vor Jahrhunderten noch keine Rolle in der Sprache. Je mehr Einfluss wir auf die Gestaltung unserer Umgebung nehmen können, desto präziser werden wir offensichtlich in der Benennung ihres Aussehens.
Lassen Sie uns grün sehen!