Natürlich hat das Auge mit der bildenden Kunst jede Menge zu tun. Es muss Farben, Formen und Situationen verarbeiten und einordnen. Mal sind die Interpretation und Erfahrung des Betrachters gefragt, mal sollte der Blick unvoreingenommen sein, um das Werk zu erfassen.
In impressionistischen Werken erschließt sich das Können des Künstlers auch unerfahrenen Augen. Bei abstrakter und gegenstandsloser Kunst, die die herkömmlichen Formen der Dinge auflöst und neu interpretiert, ist der Kunstgenuss für viele recht schwierig zu erleben.
In der bildenden Kunst spielt das Auge jedoch nicht nur aktiv in Form visueller Wahrnehmung von Kunstgegenständen eine Rolle, sondern auch als Darstellungsobjekt. Als repräsentativster aller unserer Sinne dient es Künstlern seit Jahrtausenden als beliebter Gegenstand und aussagekräftges Symbol. Das Auge wird auch metaphorisch vielfach verwendet. Etwa als Tor zur Seele, das Einblick in unsere Gedanken und Gefühle gewährt. Oder als Auge des Gesetzes, dem nichts Schlechtes entgeht. Die sprichwörtliche Blauäugigkeit beschreibt einen gutmütigen, naiven Optimismus. Immer steht das Auge im künstlerischen Zusammenhang für Transparenz und Einsicht, wohingegen das geschlossene Auge Tod und Undurchdringlichkeit symbolisiert.
Und dann gibt es noch eine dritte Rolle des Auges in der Kunst. Das Auge des Künstlers, das seine Umwelt sieht.
Ist das etwas Besonderes? Allerdings. Wenn der normal begabte Durchschnittsmensch die Aufgabe bekommt, ein Landschaftspanorama künstlerisch darzustellen, geht die Leistung bei den meisten nicht über eine zweidimensionale Sammlung von Strichen hinaus. Der Künstler sieht anders. Er sieht Entfernung, Perspektive, Licht, Schatten und Farben und ist in der Lage, diese mehr oder weniger gegenständlich abzubilden.
Das Auge in der Kunst – wirklich ein Sehen und Gesehenwerden.