Genies und Universalkünstler vergangener Zeiten ließen und lassen keinen Zweifel offen, dass sie sich ihre Bezeichnung als Künstler redlich verdienten. Heutzutage wird die offensichtliche handwerkliche Leistung des Künstlers teilweise in Frage gestellt.
Spätestens seit der aus den 1970er Jahren überlieferten Geschichte von der unabsichtlichen Zerstörung eines Beuys-Kunstwerks durch zwei Frauen, die es einfach für eine verschmutzte Badewanne gehalten hatten und diese dann reinigten, fragt man sich beim Betrachten von Kunst so manches Mal: Wer ist denn nun der Künstler – ich oder der Produzent?
Die Interpretationsleistung ist vielfach zu einem Teil des künstlerischen Prozesses geworden. Und das hat schon viel vom eigentlichen Kunstbegriff im Sinne des Gegensatzes zur Natur. Der Mensch erschafft Dinge und Situationen, und wenn diese anderen Menschen eine Bedeutung vermitteln, werden sie zu Kunst. In diesem Sinne muss Kunst nicht unbedingt schön und nicht einmal schwierig in ihrer Herstellung sein.
Die meisten von uns empfinden bei einem Museumsbesuch oder während eines Theaterstücks nicht ununterbrochen Freude und Wohlbefinden. Langeweile, Unverständnis und sogar Widerwillen sind Teil der Bandbreite an Reaktionen, die Kunst bei uns auslöst – und auslösen darf.
Dabei spielen sich unterschiedliche Szenarien im Körper ab, Hormone werden ausgeschüttet, kombiniert oder zurückgehalten, Erinnerungen geweckt oder die Fantasie angeregt.
Die Erinnerung beziehungsweise die Erfahrung spielt bei der Wahrnehmung von Kunst sowieso eine große Rolle. “Der Mensch liebt, was er kennt”, so lässt es sich kurz zusammenfassen. Genauso können wir Kunst nur erleben, wenn wir das Abgebildete kennen oder zumindest Bekanntem zuordnen können.
Die Bewertung, ob wir das Kunstwerk nun als schön oder hässlich, gelungen oder missraten, begeisternd oder abstoßend wahrnehmen, liegt bei uns. Aber das macht Kunst am Ende auch irgendwie aus.