In vielen Schriften und Abhandlungen hat Hippokrates sich mit der Entstehung von Krankheiten und möglichen Therapieansätzen auseinandergesetzt. Seine Lehrsätze, dass ein Arzt sorgfältig beobachten, befragen und untersuchen soll, um eine gute Diagnose und Therapie zu erstellen, haben auch heute noch Gültigkeit. Auch seine Forderung, die Vorgeschichte des Kranken, seine Lebensumstände und seine psychische Situation zu berücksichtigen, gilt nach wie vor für Mediziner.
Der hippokratische Eid gilt als erste Ausformulierung einer ärztlichen Ethik. Ob dieses Arztgelöbnis in griechischer Sprache wirklich auf Hippokrates zurückgeht, lässt sich heute nicht mehr eindeutig sagen. Schaut man in den Originaltext, dann geht es dort erst einmal darum, den Lehrer lebenslang zu ehren und zu versorgen und das medizinische Wissen kostenlos an dessen Nachkommen weiterzugeben. Erst dann folgen die Versprechen, den Kranken zu dienen, keine Sterbehilfe zu leisten und keine Abtreibungen durchzuführen, keinen Missbrauch zu betreiben und das Arztgeheimnis zu wahren.
Feierliche ethische Selbstverpflichtungen gab es durch die Jahrhunderte in fast allen Kulturkreisen. 1803 publizierte der englische Arzt Thomas Percival die Schrift „Medical Ethics“, damit gilt er als Begründer der heutigen Medizinethik. Viele Gräueltaten des letzten Jahrhunderts – wie die medizinischen Versuche im Nationalsozialismus, Experimente mit Kriegsgefangenen in Japan, der Missbrauch der Psychiatrie in der Sowjetunion – zeigen, dass ein ärztliches Berufsethos nicht ausreicht, um den kriminellen Missbrauch der ärztlichen Kunst zu verhindern.
1948 entstand das Genfer Gelöbnis des Weltärztebundes als zeitgemäße Version des hippokratischen Eides. Dessen Inhalte wurden auch in die deutsche Berufsordnung für Ärzte übernommen. 1964 verabschiedete der Weltärztebund eine „Deklaration zu Ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen“. Beide Schriften wurden im Laufe der Jahrzehnte immer wieder angepasst und aktualisiert. Die letzte Fassung des Ärztegelöbnisses stammt aus dem Jahr 2017, sie verpflichtet die Ärzte, ihr medizinisches Wissen zum Wohl der Patienten und zur Förderung der Gesundheitsversorgung mit ihren Kollegen zu teilen sowie sich auch um die eigene Gesundheit zu kümmern, und sie betont noch stärker als bisher die Autonomie des Patienten.
Einen Mediziner-Eid muss hierzulande kein Arzt schwören, wohl aber legt die Bundesärztekammer in ihrer Berufsordnung eine ärztliche Ethik fest mit moralischen Normen, die weitestgehend unumstritten sind. Doch medizinischer Fortschritt und gesellschaftlicher Wandel machen es immer wieder notwendig, über viele Themen im Gespräch zu bleiben: die Sterbehilfe oder die ethischen Grenzen der kosmetischen Chirurgie, die medizinischen Möglichkeiten der Neonatologie oder eine respektvolle Altersmedizin. 1995 hat die Deutsche Bundesärztekammer eine Zentrale Ethikkommission eingerichtet, die Stellungnahmen zur Forschung und medizinischen Versorgung erarbeitet. Seit 2001 gibt es den deutschen Ethikrat, ein politikberatendes Gremium, das medizinethische Fragestellungen im gesamtgesellschaftlichen Kontext betrachtet.