Neben der genetischen Veranlagung spielen vor allem veränderte Sehgewohnheiten eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung einer Kurzsichtigkeit.
Medizinisch spricht man von einer Myopie, wenn der Brennpunkt der einfallenden Lichtstrahlen nicht genau auf der Netzhaut, sondern davor liegt. Das passiert, wenn der Augapfel zu lang ist und durch die Augenmuskulatur im Prozess der Akkomodation nicht ausreichend zusammengezogen werden kann.
Je ausgeprägter die Sehschwäche im Kindesalter bereits ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit einer noch deutlicheren Ausprägung im Erwachsenenalter.
Wenn ein oder beide Elternteile kurzsichtig sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, ebenfalls kurzsichtig zu werden, für ein Kind um bis zu 60 % an. Aber nicht nur genetische Faktoren, sondern auch der Lebensstil tragen zu diesem Bereich der Augengesundheit bei. Erwiesen ist, dass viel Nahsicht über längere Zeiträume und der andauernde Aufenthalt in Innenräumen das Längenwachstum des Augapfels fördern und so die Kurzsichtigkeit begünstigen. Eine ausgeprägte Kurzsichtigkeit im Kindesalter wiederum begünstigt degenerative Netzhauterkrankungen im vierten oder fünften Lebensjahrzehnt. Deshalb ist eine Therapieoption für kurzsichtige Kinder - neben dem möglichst konsequenten Brille tragen - die Gabe von niedrig dosiertem Atropin als Tropfen in die Augen über den Zeitraum von mindestens einem Jahr. Die Methode ist relativ neu und wird noch nicht von den gesetzlichen Krankenkassen getragen.
Auch präventiv kann man etwas gegen die Entwicklung einer Kurzsichtigkeit tun. Durch den häufigen Wechsel zwischen Nah- und Fernsicht, wie er von der Natur für das menschliche Auge vorgesehen ist, wird die Augenmuskulatur trainiert und der Augapfel regelmäßig sowohl gestreckt als auch gestaucht. Bei längerem Verharren in der Nahsicht – wie zum Beispiel beim Lesen oder beim Betrachten eines Bildschirms – gehen dem Auge salopp gesagt diese Trainingseinheiten verloren. Die Muskulatur entwickelt sich nicht ausreichend – ein Versäumnis, das im Wachstumsprozess offensichtlich nicht nachgeholt werden kann.
Die Intensität des Lichts ist ein weiterer Faktor. Während die Lichtintensität einer Innagen.enbeleuchtung durchschnittlich zwischen 300 und 500 Lux liegt, beträgt der Wert im Freien 100.000 Lux an einem Sonnentag und immerhin noch 10.000 Lux an einem Regentag. Durch die Regulierung der Augenlinse, die die Lichtintensität vor dem Auftreffen auf die Netzhaut filtert, wird das Auge ebenfalls trainiert und gefordert.
Auch sportliche Betätigung kann sich positiv auf die Sehentwicklung auswirken. Noch effektiver ist diese im Freien. Bei den meisten Sportarten richtet sich der Blick zumindest zeitweise in die Ferne. Das wirkt sich positiv auf die Entwicklung der Sehkraft aus. Nicht nur Augenärzte empfehlen für Kinder und Jugendliche den täglichen Aufenthalt im Freien für mindestens zwei Stunden und den regelmäßigen Wechsel der Blickentfernung bei längerer Lese- oder Bildschirmtätigkeit. Spätestens alle 30 Minuten sollte man aufblicken, einen Punkt in mindestens vier Metern Entfernung fixieren und bewusst blinzeln und die Augen kreisen lassen.
Besonders für Kinder mit kurzsichtigen Eltern empfehlen wir jährlich Kontrolluntersuchungen beim Augenarzt. Wurde eine Kurzsichtigkeit diagnostiziert und eine Brille verordnet, verkürzt sich das Intervall. Wir besprechen unser Vorgehen individuell mit unseren jungen Patienten und deren Eltern.