Eine solche Szene liest sich heute schon fast wie eine verantwortungslose Kindesvernachlässigung. Vor ein paar Jahrzehnten war das der kindliche Alltag. Und der war gar nicht so schlecht.
Kinder eroberten ihre Umwelt – mehr oder weniger erfolgreich. Unfälle, Niederlagen, Streit und Gemeinheiten gehörten genauso zu einem Kindernachmittag wie der erstmals gelungene Sprung über die Schranke zum Sportplatz und der Sieg im Rollschuh-Wettrennen.
Es gehört heute zum guten Ton, die eigenen Kinder so gut wie möglich zu begleiten und zu beschützen. Das hat erst mal wenig Schlechtes. Allerdings gehen auch viele wertvolle Erfahrungen verloren. Und dazu gehört unter anderem – auch wenn das erst mal komisch klingt – der Sturz vom Apfelbaum.
Kinder erleben heute meist einen recht gut durchorganisierten Alltag. Frühe Förderung, Bildung und ein ausgedehntes Unterbringungsangebot in Kindertagesstätten oder Ganztagsschulen ermöglichen vor allem den Eltern die Bewältigung der Ansprüche des modernen Lebens.
Ein fünfjähriger Vorschüler kann Tablet und Internet-TV häufig besser bedienen als so mancher Erwachsene. Jugendliche leben ihre sozialen Beziehungen intensiv über Social Media Kanäle. Man kann nicht sagen, dass sie weniger kommunizieren, als es Jugendliche früher getan haben. Sie kommunizieren einfach anders – und irgendwie komplexer.
Die technischen Möglichkeiten erlauben unseren Kindern heute einen enormen Horizont. Die Freundschaft mit dem Süd-Koreaner aus dem Chatroom, der schier unbegrenzte Zugang zu Informationen, Wissen, Neuigkeiten.
Es ist nicht alles schlecht, was neu ist, und nicht alles gut, was alt ist. Trotzdem sollten all die Informationen, die Förderung und das Wissen am besten von solchen Kindern aufgesogen werden, die sich selbst entwickeln dürfen. Indem sie ausprobieren, scheitern und siegen, von Mauern fallen, Wettläufe gewinnen und Streitereien beenden – ohne Eltern. Warum? Weil sie es können.