In der griechischen Mythologie wurden sie beschrieben: gottgleiche Riesengestalten, die Kyklopen (oder Zyklopen), die nur ein großes Auge auf der Stirnmitte besaßen. Für Götter ist es vielleicht egal, mit wie viel Augen sie herumlaufen. Wir Menschen brauchen zwei Augen, um uns auf der Erde zurechtzufinden. Das räumliche Sehen gelingt über die Bilder, die von jedem einzelnen Auge an das Gehirn gesendet und dort verarbeitet werden.
Ohne räumliches Sehvermögen könnten wir keine Stufen steigen, keine Entfernungen einschätzen, keine Tasse greifen und kein Stück Brot zum Mund führen. Etwa fünf bis sechs Zentimeter stehen unsere Augen auseinander, jedes Auge liefert ein eigenes Bild an das Gehirn. Diese beiden Bilder unterscheiden sich geringfügig durch die unterschiedlichen Winkel, aus denen die Augen blicken. Auf der Netzhaut entsteht nun ein leicht divergentes Bild, das wiederum vom Sehzentrum zu einem dreidimensionalen Abbild verarbeitet wird.
Dieser Verarbeitungsprozess hat viel mit Lernen zu tun. Die räumliche Wahrnehmung wird erst im Laufe der ersten Lebensjahre erlernt. Wenn Kinder schielen oder auf beiden Augen unterschiedliche Sehstärken haben, dann ist auch das Doppelbild, das die Augen liefern, gestört. Das beeinträchtigt ihre Sehentwicklung erheblich. Deshalb sind regelmäßige Augenuntersuchungen gerade in den ersten Lebensjahren sehr wichtig.
David Hunter Hubel (1926-2013), kanadischer Mediziner und Neurophysiologe, erhielt 1981 zusammen mit Torsten Wiesel den Nobelpreis für die Entdeckungen über Informationsverarbeitung im Sehwahrnehmungssystem. Mit ihren Untersuchungen sorgten sie dafür, dass der Cortex oder die Sehrinde zu einem der bekanntesten Teile des menschlichen Gehirns wurde. Im Cortex werden die verschiedenen Aspekte eines Seheindrucks von spezialisierten Nervenzellen entschlüsselt. Aus Größenunterschieden, Licht, Schatten und Farben und aufgrund gemachter Erfahrungen „errechnet“ das Gehirn dann Tiefenwahrnehmung und Entfernungen. Wie wichtig das zweite Auge für das dreidimensionale Sehen ist, kann man mit einem kleinen Experiment überprüfen: Kneifen Sie ein Auge zu und versuchen Sie dann, einen Faden in ein Nadelöhr einzufädeln.
Mythenforscher gehen übrigens davon aus, dass Skelette von Elefantenschädeln die Menschen einst zu den Kyklopen inspiriert haben. Diese Schädel weisen in der Mitte, dort wo der Rüssel ansetzt, eine große Hohlstelle auf, die wie eine einzige, zentrale Augenhöhle wirkt. So, vermutet man, wurde der Mythos vom einäugigen Riesen geboren.