Kein Antrag auf Rente! Das Theater Der Keller wird 60 Jahre
Red.: Die Gründung eines avantgardistischen Theaters in der Nachkriegszeit mit all ihrem Leid und Problemen war ein mutiger Schritt. Was motivierte die Gründer Marianne Jentgens und Heinz Opfinger?
Die frühen 50er Jahre waren noch stark geprägt von den Auswirkungen der Kulturbarbarei der Nazizeit. Es gab riesigen Nachholbedarf. Eine ganze Theater-Avantgarde, Dramatiker wie Sartre, Cocteau, Tennessee Williams, auch deutsche Autoren wie Tucholsky mussten neu entdeckt werden. Jentgens und Opfinger wollten ein „Schauspieler-Theater“ gründen, einen Experimentier-Raum, der gerade wegen seiner Enge für solche Theaterleute inspirierend war, die auf die hierarchischen Stadttheaterstrukturen keine Lust mehr hatten. Es sollte ein pures „Theatererlebnis ohne Opernglas und Mammutinszenierung“ geboten werden.
Red.: Wie beschreiben Sie die Kernphilosophie des Theaters heute?
Die hat sich in 60 Jahren erstaunlich wenig verändert. Mutiges, politisches, aufrüttelndes Theater, Gegenwartsstücke, bewegende Geschichten über Menschen, starke Schauspieler, und der Zuschauer ist an ihnen ganz nah dran. 100% Gegenwart, 100% Engagement, 99 Plätze.
Red.: Im Juni wurde Geburtstag gefeiert. 60 Jahre – Zeit für die Rente?
Die 60 Jahre sind 60 Jahre Gegenwart. Ein stetiger Kampf um gegenwärtiges Theater. Da gibt es keinerlei Anlass, sich aufs Altenteil zurückzuziehen. Auch von Seiten der Stadt haben wir jetzt längerfristige finanzielle Planungssicherheit. Wir stehen voll im Saft. Das Theater bewegt sich weiter: künstlerisch und vielleicht auch, da der Mietvertrag demnächst ausläuft, auf neue Räumlichkeiten zu. Es bleibt also spannend.